Das schwere Wirtschaftswarmblut zwischen 1920 und 1950

Nach dem Ersten Weltkrieg brach der Markt für Luxuspferde und Militärremonten vollständig zusammen. Die politischen und sozialen Umwälzungen, die rasante technische Weiterentwicklung der Verkehrssysteme wiesen dem Pferd nun sehr schnell und nachhaltig nur noch begrenzte Aufgabengebiete in Landwirtschaft und Transportwesen zu. Vor allem entzogen LKW und PKW dem Wagenpferd von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zunehmend die Transportaufgabe. Aber auch die technische Weiterentwicklung der Landmaschinen erforderte ein neues Pferd und machte es zudem, beginnend mit den Vierzigerjahren, mehr und mehr überflüssig.

 

In Anpassung an die veränderten Aufgabengebiete wurde ab 1920 die Zuchtrichtung radikal verändert: Ein schweres Wirtschaftspferd mit gutem Schrittvermögen, ruhigem Temperament, frühreif, billig in Fütterung und Haltung war die Forderung der Zeit. Es entstand ein Schwerer Warmblüter, der auf der Grenze zum leichten Kaltblut stand.
 
Die Kaltblüter in Deutschland waren ihrerseits den gestiegenen Ansprüchen der neuen Landbautechniken durch ihre Zugstärke bereits bestens angepasst, sodass auch die Ostfriesen, wollten sie ihren hauptsächlichen Arbeitsgebieten in der Landwirtschaft gerecht werden, ähnliche Leistungen wie die Kaltblüter erbringen mussten. Die starke Zunahme des Kaltbluts als Arbeitspferd in der Landwirtschaft zwang zur Sicherung der Zucht und des Absatzes zu der Erzeugung gleichwertig leistungsbereiter Warmblüter, die noch über den Vorteil verfügen mussten, vielseitig einsetzbar zu sein.


Die Ostfriesen wurden jetzt nach mehr Rumpftiefe, Breite und Kurzbeinigkeit auf Kosten von Trockenheit, Nerv, Ausdruck und Gangvermögen selektiert. Um 1940 war die durchschnittliche Widerristhöhe von 164 cm (1908) auf 160 cm reduziert und das durchschnittliche Körpergewicht von 630 kg auf 760 kg angestiegen. Es war ein Wirtschaftspferd von hoher Qualität und einer unerreichten Einheitlichkeit entstanden.


In Deutschland entstanden Nachzuchtgebiete für Ostfriesen und Oldenburger in Baden-Württemberg, Hessen, Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schlesien. Die dort entstandenen bodenständigen Zuchten organisierten etwa ab 1920 eigene Zuchtverbände, die aber ständig in erheblichem Umfang Jahr für Jahr  Zuchtmaterial aus Ostfriesland und Oldenburg zukauften.

 

Dem Vordringen des Kaltblüters in den deutschen Ackerbaugebieten waren die Schweren Warmblüter durch ihre Anpassung an die landwirtschaftlichen Verhältnisse wirksam begegnet. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte die Zucht in Ostfriesland einen zahlenmäßigen Höchststand, da Pferde in der Landwirtschaft absolut unentbehrlich waren.